German Angst

dscn1487.JPG   Vor zwei Tagen waren wir auf einer Lesung mit Sabine Bode. Es ging um ihr neues Buch „Die deutsche Krankheit – German Angst„. Der deutsche Hang zum Grübeln, zur Zögerlichkeit - die gedämpfte Freude, wenn in unserem Land wirtschaftlich mal wieder was passiert…Warum ist das so? Warum laufen wir nicht alle mit einen herzlichen Lächeln im Gesicht durch die Strassen, wo ist die deutsche Lebensfreude, die Leichtfüssigkeit beim Lösen von Problemen oder Reformfragen? Wie sieht unsere „glückliche Gesellschaft“ aus?

Die Recherche zu dem Buch stellte harte und sehr unbequeme Fragen:

…Was war in den Nachkriegsjahren für die Bundesrepublik identitätsstiftend? – Was wussten die Mächtigen wirklich? – Wer genau waren die politischen Entscheider? – Was prägte ihre Biografien? – Warum verkauft sich Angst so gut? – Was haben die Kriegskinder aus ihrer Gewalterfahrung gelernt? – Was davon haben sie an die eigenen Kinder weitergegeben? – Warum hat unsere Gesellschaft solche Angst vor Aufklärung? - Was haben die 68ger eigentlich genau bewirkt? – Was war der Plan für die Wiedervereinigung 1989? – Was bewirkt das Gift des Mißtrauens zwischen Menschen? – Warum warten oder rechnen wir eher mit dem Mißerfolg? - Welchem Rollenbild oder Führung folgen Kinder ohne Väter? – Warum ist nicht konkret an den deutschen Schuldgefühlen gearbeitet worden? – Warum haben wir 60 Jahre später noch kein klares Bild von den Folgeschäden? …

Das ist also die Arbeitsthese: In Deutschland läuft es so wie es läuft, weil wir ein traumatisiertes Land sind, ein Volk, dass seine Kriegsschuld in die zweite und dritte Generation danach weiter gereicht hat. Durch Verschweigen, durch die Abwesenheit der Sprache, durch die Unterdrückung der Gefühle. Ein Ergebnis von kollektiver Verdrängung.

Die Vermutung wirksamer, latenter Ängste kommt nicht überraschend: In kritisch orientierter historischer Forschung, in Ansätzen der Psychotherapie, in psychosomatischer Fall-Analyse bestimmter Störungen oder im Boom der Aufstellungsarbeit nach Hellinger der letzten Jahre, kann man diese Tendenz bereits erkennen: Menschen suchen nach Wegen, um sich von lebensverhindernden Einflüssen zu befreien, die sie zum Teil „geerbt“ haben.

Es steckt „uns“ also etwas in den Knochen, dass unsere Gefühle gefangen hält. Die Forderung nach Gerechtigkeit ist ein kosmisches Gesetz. Wie klug beraten war doch die Wahrheitsfindungskommission in Süd-Afrika, nach 40 Jahren Apartheid einen anderen Weg zu gehen. Auch wenn der Täter-Opfer-Ausgleich dieser Art viele Menschen an die Grenzen ihrer Belastbarkeit gebracht hat. Es ist ein Weg der Heilung. Wirtschaftswunderland in den 50ger ist zum Teil unser Weg gewesen. Die Entnazifizierungsverfahren waren auch kein Problem. Für den Entschädigungsfond haben wir sechs Jahrzehnte gebraucht. Motto: Ihr seid noch am Leben – seid froh und Schlusspunkt setzen.

Wenn das Erziehungs- und Bildungsziel der mündige Bürger ist, sind wir dann auf einem guten Weg? Was tun wir, um die Zukunftsängste der jungen Generation als unbegründet zu bezeichnen?

Vom Weg zum gemeinsamen Glück sind wir noch weit entfernt. Aber wir arbeiten daran. Der heutige 27.Januar ist der Gedenktag der Befreiung von Auschwitz durch die Sowjetarmee. Guter Tag, um über „German Angst“ nachzudenken.

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